Hauke Benner – In Deutschland sind die Klimaziele in weiter Ferne

Deutschlands Grüner Wirtschafts- und Energieminister erreicht nicht annähernd die geplanten und notwendigen CO2-Reduktionen

Hauke Benner ist ein ehemaliger Journalist und jahrzehntelang ein politischer Aktivist gegen den Klimawandel.

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Der Deutsche Wirtschafts- und Energieminister Habeck stellte in einer Pressekonferenz am 9. März seinen Plan für die Beschleunigung der Abkehr vom Einsatz der fossilen Energie in einem sogenannten „Werkstattbericht“ vor.

Unter der Überschrift „Wohlstand klimaneutral erneuern“ lobte der Minister die Weichenstellungen der Regierung zur Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren wie aber auch das Sparverhalten der Bevölkerung im letzten Jahr. Sowohl in der Industrie wie bei der Privatverbrauchern sei der Energieverbrauch zurückgegangen. Habeck erwähnte jedoch nicht, dass die CO2 Emission nur sehr geringfügig gesunken sind und die selbst gesteckte Obergrenze verfehlt wurde.

Klimaziele zugunsten der Energiesicherheit verfehlt

Im abgelaufenen Jahr 2022 betrugen die CO2 Emissionen 761 Millionen Tonnen.Das waren 5 Mio. Tonnen mehr als die von der Bundesregierung selbst gesetzte Obergrenze.

Die Gründe dafür sind vor allem in der Stromerzeugung zu suchen. Anstelle einer angekündigten Reduzierung der fossilen Energie fand das Gegenteil statt: Ein erheblich höherer Anteil der Kohle bei der Stromerzeugung, aktuell ist er von 30 auf 33% gestiegen.Viele Braunkohlekraftwerke liefen unter Vollast und 14 schon stillgelegte Steinkohlekraftwerke wurde wieder ans Stromnetz angeschlossen.Trotz der stark erhöhten Gaspreise infolge des Ukrainekrieges sank die Gasverstromung nur um 10%. Zudem wurden drei drei deutsche Atomkraftwerke Ende 2021 endgültig abgeschaltet. Der Wegfall des Atomstroms wurde durch einen deutlich gestiegenen Anteil der Erneuerbaren von 43 auf 48 % bei der Stromerzeugung mehr als kompensiert. Der Stromverbrauch insgesamt ist wegen der stark gestiegenen Strompreise um 5 % gefallen. Gestiegen, und zwar überaus stark, sind hingegen die Gewinne der Strom- und Gaskonzerne wie Total oder RWE. Anders als in Spanien gelingt es der deutschen Bundesregierung allerdings nicht, die angekündigte Übergewinnsteuer wirklich in die Tat umsetzen und die Milliardenextraprofite aufgrund des Ukrainekrieges den Konzernen abzuknöpfen.

Zu den weiter hohen CO2-Emission tragen aber auch der Verkehr und Gebäudesektor entscheidend bei, weil besonders im Autoverkehr keinerlei die Emission reduzierende Maßnahmen die Bundesregierung umgesetzt hat. Im Gegenteil, die Emission im Verkehr sind erneut gestiegen. Das Auto und besonders der spritfressende SUV sind nach wie vor des deutschen liebstes Kind. Zwar hat sich der Anteil der neuinstallierten Wärmepumpen 2022 im Gebäudesektor um fast ein 1 Million erhöht; aber immer noch liegt der Stromanteil in der Gebäudeheizung bei nur 5%. Wirtschaftsminister Habeck will das jetzt mit den Holzhammer ändern und ab 2024 keine Neuinstallation fossiler Heizungsanlagen mehr zulassen.

Die maroden Akws und die Dürre in Frankreich beeinflussen die deutsche Stromproduktion

Fast die Hälfte der franz. Akws war wegen Korrosionsschäden und Rissen im letzten Jahr außer Betrieb. Der Dürre- und Hitzesommer sorgte zudem für Niedrigwasserstände an den großen Flüssen, sodass auch deswegen einige Atommeiler abgeschaltet werden mussten, weil ihnen das Kühlwasser fehlte. Das hatte zur Folge das 1. die Stromproduktion in Frankreich auf das niedrigste Niveau seit 1992 gefallen ist und 2. die deutscher Stromwirtschaft erstmals deutlich mehr Strom nach Frankreich exportierte, eine Steigerung von 6 TWh auf 15 TWh. Auch aus diesem Grunde liefen die deutschen fossilen Kraftwerke auf Vollast. Und da auch die Gaskraftwerke nur unwesentlich weniger Strom produzierten, schossen die Erzeugerpreise durch die Decke. Denn gemäß dem Merit-Order-Verfahren wird an der Leipziger Strombörse der Großhandelspreis nach dem letzten notwendigen Kraftwerk ermittelt, damit die georderte Nachfrage befriedigt werden kann. Und das sind nun mal die Gaskraftwerke. Gerade in den Sommermonaten, als sehr viele französische Akws stillstanden, wurde viel Gas in Deutschland eingesetzt und das beschleunigte noch mal zusätzlich die Preiserhöhungen. Zwar hat die EU-Kommission schon im letzten Sommer angekündigt die Preisermittlung an den Strombörsen mittels Merit-Order zu überprüfen. Auch aus dem Bundeswirtschaftsministerium kamen im August 2022 ähnliche Ankündigungen. Doch auch hier herrscht bis heute Funkstille.

Die desolate Situation in Frankreich ist nicht zu Ende. Gerade sind wieder zwei neue franz. Akws wegen erheblicher Rissbildung vom Netz genommen worden. Und die bisher in dieser Größenordnung völlig unbekannte Winterdürre in Frankreich und Norditalien inclusive des sehr geringen Schneefalls in den Westalpen (bis zu 70% weniger Schneefall als üblich) verheißt für die Sommermonate in den franz. Wasserkraftwerken und den großen Flüssen wie der Loire und der Rhone, an denen unzählige Atommeiler auf das Kühlwasser angewiesen sind, nicht Gutes.

Frankreich hat in diesem abgelaufen Winter Glück gehabt, dass es nicht zu einem Strom-Blackout gekommen ist; denn der Winter war wieder recht mild, so dass die Stromproduktion für die Wohnungsheizungen nicht an ihre Grenzen gestoßen ist. Immerhin werden in Frankreich 35 % aller Wohnungen mit Strom geheizt, bei Neubauten sind das sogar 80%.

Für das 2023 droht eine Wiederholung: Deutschland produziert auf Teufel komm raus weiter mit allen fossilen Kraftwerken, um damit die Ausfälle in Frankreich zu kompensieren und die Strompreise bleiben auch deshalb weiter sehr hoch. Also wieder einmal bleibt die pressewirksame Ankündigungen des Herrn Habeck nach einem beschleunigten Aus für die fossile Energie nur ein bloßer Vorsatz und scheitert an der Realpolitik und Koalitionsstreitereien.

Trotz dieser unmissverständlichen Vorboten des Klimawandels hält die franz. Regierung am Ausbau der Atomkraft fest. Weiterhin soll der Anteil des Atomstroms mehr als 70% betragen und die Erneuerbaren im Gegensatz zu Deutschland oder Spanien ein Nischendasein führen. Dabei sind gerade Sonne und Wind deutlich flexibler in Dürreperioden einsetzbar und sind vor einer drohenden (Kühl-) Wasserknappheit nicht betroffen.

So verschieden die Energiepolitik beiderseits des Rheins auf dem ersten Blick erscheint. Beide Regierungen unterscheiden sich nicht grundlegend in ihrem Vorgehen, um das Pariser 2 Gradziel noch irgendwie einzuhalten. Beide setzen auf „klimaneutralen Wohlstand“. Die einen mit Atomstrom und die anderen mit der Ankündigung bis 2030 pro Tag vier bis fünf neue Windkraftwerke in Betrieb zu nehmen, wie Kanzler Scholz am letzten Wochenende nach der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg verkündete. Woher Scholz die Produktionskapazitäten und vor allem die Ressourcen, die großenteils in China liegen, nehmen will, bleibt sein Geheimnis.

Beide Regierungen halten am Wachstumsdogma fest. Keine guten Aussichten im Kampf ums Klima.

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