Hauke Benner – Die deutsche Energie- und Klimapolitik: Grosse Worte und wenig dahinter

Deutschland, der große Heuchler in Bezug auf fossile Brennstoffe, setzt seine Tradition der Lügen und Verheimlichungen fort, diesmal unter einem Minister der Grünen, Robert Habeck.

Hauke Benner ist ein ehemaliger Journalist und jahrzehntelang ein politischer Aktivist gegen den Klimawandel.

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Die deutsche Energie- und Klimapolitik

Grosse Worte und wenig dahinter

Vor einer Woche fand in Berlin das Treffen der G7-Energie- und Klimaminister statt. Den G 7-Vorsitz hat in diesem Jahr Deutschland inne und so verkündet der deutsche Energieminister Habeck am Ende der Konferenz die Beschlüsse und Absichtserklärungen. Danach soll die Verstromung aus fossilen Energien bis 2035 beendet werden. Also die Kohle- und Gasverstromung soll dann der Geschichte angehören. Zuvor hatte Minister Habeck noch mal eindringlich an seine Kolleginnen appelliert: „Unser größter Feind ist der Staus Quo. Was wir tun ist zu wenig“ um die Pariser Beschlüsse von 2015 wirklich umzusetzen.

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Nicht zum ersten mal sind das große Worte auf internationalen Treffen. Die nationale Praxis ist dann zumeist aber das Gegenteil. Nur ein Beispiel: In Anbetracht der immer noch skandalös hohen weltweiten Subvention der fossilen Industrie von 5.9 Billionen $ (so die Zahlen des IWF von 2020) hat die Konferenz in Berlin für das Jahr 2025 das Ende der Subventionierung der fossilen Energie beschlossen. Parallel zur Berliner Konferenz bereiste Bundeskanzler Scholz einige afrikanische Länder und sicherte Senegal beim Aufbau der Erdgas-Gewinnung Millionen Hilfsgelder zu. Energieminister Habeck will in den nächsten 2 Jahren vier neue LNG-Terminals für über eine Milliarde € bauen lassen, obwohl Westeuropa mit den bisherigen Terminals voll mit Gas versorgt werden könnte.

Habeck hat am Rande der Berliner Konferenz mit seinem Kollegen Kerry aus den USA umfangreiche Fracking-Gaslieferungen beschlossen. Wie bei seinem Besuch vor ein paar Wochen in Katar haben diese Vereinbarungen aber einen großen Haken. Die Lieferverträge laufen über 20 Jahre; denn nur für diesen langen Zeitraum lohnt sich das Geschäft für die US-Konzerne; dies betrifft auch die anvisierten Lieferverträge von LNG-Gas mit Katar.

Also bis 2045 soll reichlich Gas importiert werden. Das steht in krassem Widerspruch zu der Berliner Ankündigung bis 2035 aus der fossilen Verstromung auszusteigen. In der Berliner Abschlusserklärung haben sich die G7 Minister in Anbetracht des Ukrainekrieges allerdings eine Hintertür offen gelassen: „In der Erkenntnis, dass die Förderung nationaler Sicherheits- und geostrategischer Interessen von entscheidender Bedeutung sind“ kann es Ausnahmen von der ambitionierten Zielsetzung geben.

Was für ein Wahnsinn das ist, zeigen Untersuchungen der britischen Tageszeitung „Guardian“ vor einer Woche: Bei den neuen geplanten Frackingas-Bohrprojekten in den USA würden insgesamt 140 Milliarden Tonnen Klimagase freigesetzt. Das sind allein mehr als ein Viertel des verbleibenden weltweiten Budgets für die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels!

2. Die europäische Union wollte in dieser Woche ein neues vollständiges Ölembargo gegen Russland zum Ende des Jahres beschließen. Doch die Ölimport-Sanktionen der EU gegen Russland sind löchrig und bleiben umstritten. Die jetzigen Beschlüsse betreffen erstmal nur die Seeimporte. Die wichtige „Druschba“-Pipeline aus Russland nach Tschechien, der Slowakei und Ungarn bleibt offen, u. a. weil Ungarn zu 100% bei seinen Importen darauf angewiesen ist und keinen Seezugang und keine Pipeline nach Westeuropa hat.

Diese jüngsten Beschlüsse der EU sind ein solch gravierender Eingriff in den globalen Ölmarkt, wie er seit Jahrzehnten nicht mehr stattgefunden hat. Denn Russland ist ein Big Player und das Ausbleiben des russischen Öls schüttelt des Weltmarkt ordentlich durcheinander. Bisher exportiert Russland ca. die Hälfte seiner Ölförderung nach Europa; China ist aber schon jetzt der größte Einzelabnehmer.

Dieser politische Eingriff der EU in den Weltmarkt ist deshalb so stümperhaft, weil weder die OPEC ins Boot geholt wurde ( die OPEC-Staaten weigern sich die Russland-Sanktion mit zutragen) noch die großen Ölkonzerne mit ihrer Marktmacht reguliert wurden. Die EU hat sich bei diesem politischen Vorhaben schlichtweg überhoben. Die EU besitzt weder den politischen, militärischen oder ökonomischen Einfluss, um den Welt-Rohölmarkt in nennenswerter Weise zu steuern. Nicht einmal die USA können das heutzutage.

Die alleinige Profiteure sind die großen Ölmultis. Die weltweit größten Multis wie Aramco, Exxon, Cevron und BP machen schon seit einem Jahr durch den um mehr als 50 % gestiegenen Rohölpreis die höchsten Profite seit Jahrzehnten. Allein im ersten Quartal 2022 hat der arabische Ölkonzern Aramco 40 Milliarden $ (!) Gewinn eingefahren.

Selbst bei diesen sogenannten „windfall-profits“ gelingt es der EU nicht, eine einheitliche Besteuerung umzusetzen. Auch hier tun das nur einzelne Staaten wie England (25% auf die windfallprofits) oder Italien. Deutschland ist nahezu das einzige Land in Westeuropa, welches sich weigert eine Extrasteuern für die Öl-und Gaskonzerne zu erheben. Dies scheitert insbesondere an der marktradikalen FDP, die dem Grosskapital immer ein treuer Diener ist.

Die Suppe dieser irrsinnigen Energiepreissteigerungen müssen allein die Verbraucherinnen auslöffeln und hier natürlich die ärmeren Haushalte am stärksten.

3. Durch die hohen Gasimportpreise infolge der Sanktionspolitik gegen Russland ist auch der Strompreis in Deutschland sehr stark angestiegen. Bei Neukunden betrug der Preisanstieg im letzten Jahr 65%. Dadurch das in Deutschland an den Strombörsen der Preis durch das letzte benötigte Kraftwerk zur Deckung der Stromnachfrage bestimmt wird und diese in der Regel kurzfristig dazu geschaltete Gaskraftwerke sind, ist der Strompreis an den wichtigsten Strombörsen in Paris und Leipzig durch die Decke gegangen. Profitiert davon hat vor allem der RWE-Konzern. Denn die Verstromung aus die Stein- und Braunkohle rechnet sich jetzt wieder trotz der CO2-Abgaben, weil wie erwähnt die Gaskraftwerke den Preis bestimmen. Ein weiterer Preistreiber in Mitteleuropa ist seit einem halben Jahr vor allem auch Frankreich. Denn nahezu die Hälfte aller französischen Atomkraftwerke sind außer Betrieb bzw. sehr störanfällig. Deswegen muss der staatliche französische Stromkonzern EdF große Mengen u. a. aus Deutschland einkaufen, was den Preis für alle deutsche Kunden zusätzlich in die Höhe treibt.

4. In ihrer Hilflosigkeit die Preissteigerungen am Strommarkt in den Griff zu bekommen, propagieren neuerdings sowohl die größte Oppositionspartei die CDU wie der kleinste Koalitionspartner in der Regierung, die FDP die Laufzeitverlängerung für die letzten drei deutschen Atomkraftwerke. An sich sollen diese Kraftwerke Ende 2022 endgültig vom Netz gehen. Dieser Vorschlag wurde begleitet in den letzten Wochen durch ein mediales Trommelfeuer gemäß des alten Drohgemäldes „sonst gehen in Deutschland die Lichter aus“. Ein Weiterbetrieb zum Beispiel von Isar 2 in Bayern nahe der Stadt Landshut ist so ohne weiteres nicht möglich. Der Kraftwerksleiter Carsten Müller vom Stromkonzern Preussen-Elektra hat vor ein paar Tagen darauf hingewiesen, dass es eine Deadline gebe und die ist der 1. Juni 2022. Im bayrischen Landtag erklärte Müller, dass für einen Weiterbetrieb bis zum 31.5.22 neue Brennstäbe bestellt, eine umfangreiche Kraftwerksrevision eingeleitet und neues Personal angestellt werden müsste. Die gleiche Situation stellt sich in Neckarwestheim bei Stuttgart. Dort kommt verschärfend hinzu, dass dieser Reaktor u. a. wegen Rissbildungen in den Rohrleitungen schon lange in der Kritik der lokalen Atomkraftgegnerinnen steht. Die Zeit für die deutschen Atomkraftwerke ist einfach abgelaufen und daran können auch die Atomkraftbefürworter aus den Reihen der CDU, FDP und der rechtsradikalen AFD nichts mehr ändern.

Insgesamt kennzeichnet die derzeitige Energiepolitik der deutschen Regierung viele Ankündigungen und Versprechungen auf internationaler Bühne. Auf nationaler Ebene hingegen werden diese ambitionierten Klimaziele durch wenig durchdachte politische Maßnahmen immer wieder ausgehebelt. Sei es durch den öffentlichen Druck Russland in die Knie zu zwingen, sei es durch den Lobbyeinfluss der fossilen Industrie oder durch die Konflikte in der Regierungskoalition zwischen den Marktradikalen der FDP und den vorsichtigen Regulierungsbestrebungen seitens der SPD und Grünen. Minister Habeck ist die sprichwörtliche Personifizierung dieser in sich völlig widersprüchlichen Politik.

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