Hauke Benner: Lützerath – das Ende der Ökopartie

Wann immer die Grünen in der EU in eine Regierungskoalition eintreten, lassen sie ihr moralisches Getue fallen und werden zu reaktionären, machthungrigen Politikern wie alle anderen auch.

Hauke Benner ist ein ehemaliger Journalist und jahrzehntelang ein politischer Aktivist gegen den Klimawandel.

Read the English translation HERE

Image

Nach zweijähriger Besetzung des Dorfes Lützerath durch dutzende Klimaaktivisten am Rande des rheinischen Braunkohlereviers Garzweiler 2 kam es am Wochenende zum Shut-down: 35000 Demonstrantinnen marschierten bei strömendem Regen durch Dreck und Schlamm in Richtung des von der Polizei vorher nahezu vollständig geräumten Dorfes. Die Polizei schützte mit einem massivem Aufgebot die Privatinteressen des größten Co2-Emittenten Europas, des RWE-Konzerns.

Am Rande der Braunkohlegrube kam es zu schweren Auseinandersetzungen. Die Folge waren mehrere schwerverletzte Demonstrantinnen mit Knochenbrüche und Kopfverletzungen und bei einigen Polizisten Selbstverletzungen, weil sie bei dem Starkwind Pfefferspray selbst ins Gesicht bekamen oder im Schlamm umgeknickt sind.

Das rheinische Baunkohlerevier wird gemanagt vom RWE-Konzern, der diese Region zwischen Köln und Aachen in den letzten Jahrzehnten in eine Mondlandschaft mit bis zu 400 m tiefen, kilometerlangen Tagebaugruben verwandelt hat. Hier stehen zwei der drei größten Braunkohlekraftwerke Europas. RWE ist der größte deutsche Energiekonzern und zugleich gehört er zu den 100 größten CO2-Produzenten der Welt.

Lützerath – Symbol der Zeitenwende der Grünen in Sachen Klimapolitik

Im Oktober 2022 erreichte der grüne Energieminister in den Verhandlungen mit RWE einen „Kompromiß“ (so Habeck): RWE steigt acht Jahre früher aus der Braunkohleverstromung aus, dafür dürfen die Kraftwerke bis dahin deutlich mehr emittieren als die Vereinbarung von 2018 vorsah und vor allem werden einzelne Blöcke nicht 2022 abgeschaltet, sondern laufen 2, 3 Jahre weiter. Dafür wird Lützerath abgebaggert, damit die riesige Kohlgrube Garzweiler 2 noch weiter ausgebeutet werden kann. Minister Habeck jubelte vor der Presse: „Das ist ein guter Tag für den Klimaschutz“. Doch wieviel CO2 wird tatsächlich eingespart? Verschiedene unabhängige Expertinnen sind zu einem desaströsen Ergebnis gekommen: Nahezu null.

Die oppositionelle Partei die ‘Linke’ (die nicht im Düsseldorfer Landtag vertreten ist) schreibt dazu: „Mit dem Kohlekompromiss 2022 wird kein CO2 eingespart, weil dieselbe Menge statt bis 2038 schon bis 2030 ausgestoßen wird. Damit wird Deutschland weder seine Sektorziele einhalten noch eine mit der 1,5 Grad-Grenze kompatible Politik machen. Der Kompromiss verstößt gegen das Klimaabkommen von Paris. Um das 1.5 Grad- Ziel zu erreichen, wäre ein Kohleausstiegspfad nötig, bei dem im Tagebaukomplex Hambach und Garzweiler bis zum Jahr 2028 nur noch maximal 200 Millionen Tonnen gefördert werden; RWE plant dagegen mit 780 Millionen Tonnen Braunkohle“.

Der Deal zwischen Regierung und RWE ist auch eine klarer Verstoß gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts von 2021, welche von der Bundesregierung eine deutliche Reduzierung der CO2-Emission schon weit vor 2030 verlangt, um die Lebensbedingungen für die nachfolgenden Generationen nicht noch weiter zu gefährden. Für RWE ist der Kompromiss ein sehr lohnenden Geschäft. Denn gemäß der Beschlüsse der EU-Kommission wird die CO2-Steuer nach 2030 deutlich angehoben. Dadurch wird der Betrieb von Braunkohlekraftwerken dann noch unrentabler. Unterm Strich hat so Minister Habeck dem RWE-Konzern Milliarden € Profite gesichert.

Lützerath – der klimapolitische Kaiser steht nackt da

Die Energiepolitik der Grünen im abgelaufenen Jahr 2022 diente an allererster Stelle der Sicherung von Energielieferungen für die deutschen Industrie. Egal woher und zu welchem Preis. Minister Habeck kaufte Gas aus Katar, ließ in Windeseile LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Greifswald bauen, um die Sanktionen gegen Russland für die deutsche Industrie abzufedern. Dazu gehörte auch die Übernahme der 40 Milliarden Schulden des Uniper-Konzerns, der durch langfristige Gaslieferungsverträge mit Verkaufspreisen weit unter den Einkaufspreisen in die Schieflage geriet.

Mit dieser vorrangigen Sicherung der Konzerninteressen fiel der Klimaschutz bei den Grünen und in der Ampelkoalition unter den Tisch. In Sachen Klimaschutz haben die Grünen im letzten Jahr eine totale Kehrtwende hingelegt: weder ist der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt worden, noch wurden in der Regierungskoalition Vereinbarungen über die Reduzierung der CO2-Emission im Bereich Verkehr erzielt. Deutschlandweit sind die CO2-Emissionen sogar gestiegen! Für die Grünen eine Blamage!

Die energiepolitische Folge der Sanktionen gegen Russland war die Kappung der Gasimporte. Dadurch kam es zu einer deutlichen Erhöhung des Anteils von Braun- und Steinkohle bei der Stromherstellung in Deutschland. Oberster Profiteur davon war RWE mit Rekordgewinnen 2022 von mehreren Milliarden Euro.

Woher kommt die Wut der 35.000 in Lützerath?

Image

Im Wahlkampf 2022 hatten die Grünen in Nordrhein-Westfalen den Wahlsieg u. a. mit dem Versprechen „Lützerath bleibt“ errungen. Kaum hatten sie auf den Regierungsbänken Platz genommen wurde das Gegenteil im Koalitionsvertrag mit der CDU beschlossen. Lützerath wird abgebaggert.

Die Wut der 35.000 richtet sich gegen diese grüne Kehrtwende um 180 Grad. Vor der Demonstration am Samstag wurden schon in mehreren Städten Parteibüros der Grünen besetzt, die Scheiben eingeschmissen oder mit den gelben Kreuzen von Lützerath die Eingänge vernagelt. Prominente Klimaaktivisten von ‘Friday for Future’ wie Lisa Neubauer und Greta Thunberg ließen sich demonstrativ von der Polizei bei versuchten Blockaden in Lützerath wegtragen. Zwar versuchten noch einzelne grüne Landtagsabgeordnete ihre Solidarität mit den Klimaaktivsten zu erklären. Doch der Scherbenhaufen ist riesengroß für die Partei. Denn in der Parteispitze gibt es auch nach der Großdemonstration keine kritischen Stimmen. Wie im Ukrainekrieg wird den verantwortlichen Ministern Baerbock und Habeck öffentlich nicht widersprochen. Einzig die ‘Grüne Jugend’, die mit Dutzenden in Lützerath anwesend war, übt laut Kritik.

Der Schulterschluss zwischen RWE und Grünen ist einfach nicht wegzuleugnen. Wenn dann noch die Polizei mit massiver Knüppel-Gewalt gegen Aktionen des zivilen Ungehorsams vorgeht und sich dabei auch noch der Hilfe der privaten Sicherheitsdienste von RWE bedient, ist auch dem Letzten klar, auf wessen Seite die Grünen stehen.

Was bleibt?

Nur durch außerparlamentarischen Druck auf der Straße oder im Schlamm vor Lützerath kann die Klimabewegung Erfolge erringen. Glücklicherweise haben sich die Aktivisten in Lützerath nicht spalten lassen in „Ökoterroristen“, die Steine und Molotowcocktails schmeissen und nur randalieren wollen, wie konservative Lokalzeitungen vorher schrieben, und den „Friedlichen“.

Nut 100 km entfernt fand im vorletzten Jahr eine der größten Zerstörungen durch den Klimawandel in Mitteleuropa statt. Im Ahrthal kamen mehr als 130 Menschen durch die Sturzfluten infolge tagelanger Unwetter ums Leben. Die Menschen auf der Demonstration in Lützerath wissen, dass die Klimakrise längst hier angekommen ist und von hier aus die Klimakrise mitverursacht worden ist. Von den politischen Parteien oder noch so grün angestrichen Konzernen (wie die Tochtergesellschaft von RWE „Green Energy“) ist kein Innehalten oder gar Umkehr zu erwarten. Nach Lützerath gilt stärker denn je: „Klimaschutz bleibt Handarbeit“.

Sie entscheiden, ob wir BRAVE NEW EUROPE und das Gig Economy Projekt schließen

Ende 2022 hatten wir dank vieler von Ihnen rund 13.000 GBP/€/ für 2023 gesammelt. Mit 14.000 können wir weitermachen, wenn auch in einem reduzierten Format von fünf Tagen pro Woche. Daher bitten wir diejenigen von Ihnen, die noch nicht gespendet haben, dies zu tun. Wenn wir es bis hierher geschafft haben, sollten wir auch die letzte Meile schaffen.

Bitte spenden Sie HIER

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*