Hauke Benner – Osterpaket für den Klimaschutz

Die Ampelkoalition weigert sich entschlossen zu handeln

Hauke Benner ist ein ehemaliger Journalist und jahrzehntelang ein politischer Aktivist gegen den Klimawandel.

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File:Traffic Light German Complex With Bicycles.JPG

Photo: Julen Parra wikimedia commons

Anfang April präsentierte Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) umfangreiche Gesetzesvorschläge, um das Klimaschutzziel von 1.5 Grad des Pariser Gipfels von 2015 noch zu erreichen. In diesem „Osterpaket“ geht es um den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien, um wie Habeck sagte, so schnell wie möglich unabhängig zu werden von der fossilen Energie und besonders vom Import dieser Energieträger aus Russland. Denn Deutschland importiert derzeit 55 % seiner Gasnachfrage aus Russland, bei Öl sind es fast 40 %.

Habeck benutzt die eskalisierende Stimmung um verschärfte Sanktionen gegen das „Putin-Regime“, um die Blockade der letzten Jahre bei Photovoltaik und Windenergie beiseite zu räumen. Selbst FDP-Chef Lindner, beileibe kein Vorkämpfer in Sachen Klimaschutz, nennt die Erneuerbaren jetzt „Freiheitsenergien“.

Habeck will den Anteil der Eneuerbaren bis 2030 von bisher geplanten 65 % auf 80 % anheben.

Das ist, angesichts der Trägheit der bundesdeutschen Staatsbürokratie, eine sehr ambitionierte Zielsetzung.

Angesichts des Ukrainekrieges, propagandistisch nicht ungeschickt, wird der Ausbau der Erneuerbaren bei den „Grünen“ jetzt mit dem erhöhten Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung verbunden. Im Gesetz wird festgelegt, dass die Nutzung Erneuerbarer Energien “im überragenden öffentlichen Interesse” liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Dadurch sollen Genehmigungsverfahren und gerichtliche Entscheidungen beschleunigt werden – denn gegen Windräder wird oft geklagt und bisher dauert es in Deutschland 7 Jahre bis ein Windpark genehmigt wird.

Um das Ziel der Verdoppelung des Windstroms auf 120 GW zu erreichen, muss die Ausbaugeschwindigkeit beim Wind sich verfünffachen! Ab 2025 sollen jährlich Windräder an Land mit einer Leistung von zehn Gigawatt gebaut werden – 2021 waren es knapp zwei Gigawatt. Die Windenstromerzeugung auf See soll sich sogar vervierfachen.

Auch bei der Solarenergie aus Photovoltaik-Anlagen etwa auf Dächern und freien Flächen sollen sich die Ausbauraten um den Faktor 4 beschleunigen. 2030 sollen dann eine Gesamtleistung von 215 Gigawatt installiert sein.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Ausbau der Windkraft fehlt allerdings im Osterpaket noch: Über das geplante Ziel, zwei Prozent der Bundesfläche für Windenergie bereitzustellen, muss Habeck noch mit den Bundesländern verhandeln, denn Baurecht ist in Deutschland in erster Linie Ländersache. Gerade Bayern und Nordrhein-Westfalen haben den Ausbau der Windenergie bisher mit stark einschränkenden Bestimmungen blockiert.

Aber auch aus der Reihen der FDP kommt Widerstand. Der FDP-Fraktionsvize im Bundestag Lukas Köhler fuhr Habeck sofort in die Parade. Er erklärte, der Gesetzesentwurf sei “weit davon entfernt, im Bundestag eine Mehrheit zu finden”. Die FDP habe im Kabinett lediglich formal zugestimmt, um bei diesem wichtigen Gesetz nicht unnötig Zeit zu verlieren.

Wirtschaftsstrukturmaßnahmen, wie ein Strom-Lastmanagement, nachdem bestimmte Großverbraucher bei überhöhter Nachfrage von Netz genommen werden können, oder gar Umbau bzw. Abbau der stromintensiven Industrie, fehlen gänzlich in dem Gesetzesentwurf. Auch die Notwendigkeit eines Zubaus von Gaskraftwerken, um im Fall des Ausbleibens von Wind- und Sonnenstrom zu verhindern, dass das Stromnetz zusammenbricht, wird mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen wird das Lieblingsspielzeug der FDP, die Produktion von Wasserstoff als Ersatz für Erdgas, in Zukunft sehr stark finanziell gefördert. Langfristig, aber nicht schon bis 2030, könnte Wasserstoff das Erdgas als Speichertechnologie ersetzen.

Auch das angekündigte Klimaschutz-Sofortprogramm etwa für den Gebäude- und den Verkehrsbereich steht noch aus, weil sich die Ampelkoalition nicht einigen konnte.

Dass im Osterpaket keine Maßnahmen dafür vorgesehen sind, kritisierte Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) als “klaffende Fehlstelle”. Besonders schmerzlich vermisst die DUH-Geschäftsführerin im Gebäudebereich die Sanierungspflicht für bestehende Gebäude sowie ein Einbauverbot für Gasheizungen im Neubau.

Darum sei in den vergangenen Tagen und Wochen innerhalb der Bundesregierung gerungen worden, erinnerte Metz. “Durchgesetzt haben sich offenbar die Bremser von SPD und FDP – in krachendem Widerspruch zum Klimaschutzgesetz und dem erst gerade veröffentlichen Bericht des Weltklimarates.”

Die Klimaziele und entsprechende politische Maßnahmen müssten dringend verbessert werden, fordert der IPCC. Auch wird erstmalig ein weltweiter wirtschaftlicher Strukturwandel verlangt. Ein ganzes Kapitel des 6. Berichts trägt die Überschrift “Systematische Transformation”. Davon ist in dem „Osterpaket“ natürlich an keiner Stelle die Rede. Stattdessen soll die Elektrifizierung des deutschen Energieverbrauchs vorangetrieben werden, gemäß der alten Devise von Giuseppe Tomasi di Lampedusa aus dem Roman ‘Der Leopard’: „Es muss sich alles ändern, damit alles so bleibt wie es ist.“ Der Wohlstand ist in Zukunft eben grün gefärbt. Statt einer überfälligen Reduzierung erwartet das „Osterpaket“ eine deutliche Erhöhung der Stromnachfrage. Höhere Energieverbrauch bedeutet höhere Ressourceneinsatz und höhere CO2-Emission.

Das geht in die völlig falsche Richtung.

Wenn der 6. Sachstandsbericht des IPCC zu Rate gezogen wird, ist die Kritik noch schärfer zu formulieren. Die Wissenschaftlerinnen des IPCC: “Die Zeit zu handeln ist jetzt.” UN-Generalsekretär Guterres las der politischen Klasse die Leviten: „Der Bericht spricht ein verdammendes Urteil über das Versagen der Klimapolitik. Die Weigerung zu entschlossenem Handeln ist kriminell. Die größten Emittenten der Erde machen sich der Brandstiftung an unserem einzigen Zuhause schuldig.“ Nur nebenbei: Von den 10 größten CO2-Schleudern (Kohlekraftwerke) in Europa stehen 7 in Deutschland! Auch Wirtschaftsminister Habeck will lieber die Kohlekraftwerke weiterlaufen lassen, um von ‘Putins Gas’ so schnell wie möglich unabhängig zu werden. Klimapolitisch ist das absurd.

Es bleibt sehr fraglich, ob Deutschland mit diesem Gesetzespaket einen effizienten Beitrag leistet zur Senkung der weltweiten Emissionen bis 2030 um 45 Prozent und bis 2050 Netto-Null, wie der IPCC fordert.

Nach dem derzeitigen Stand der politischen Klimaschutzmaßnahmen der wichtigsten Industrieländer werden die weltweiten Emissionen im laufenden Jahrzehnt um fast 14 Prozent steigen. Das 1.5 Grad-Ziel ist ferner denn je!

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